Tag-Archiv | Fuchsien

Lange Liebe

Nach den Eisheiligen, wenn die kalte Zeit endlich vorbei ist, beginnen die Menschen in ihren Gärten zu werkeln. So auch auf einem schmalen Streifen, zwischen Hauswand und kleiner Mauer, die mit einem schönen Eisengitter gekrönt ist. Ein Stück Erde, schmal und lang.

Eine ältere Frau und ihr Mann bereiten emsig den Boden vor, stecken kahle Äste mit Ballen dran in die Erde. Ein kleines Mädchen beobachtet das Tun neugierig und denkt:  „Sieht aber komisch aus. Was soll das werden?“ In den anderen Gärten,  in Kästen und Töpfen an den Fenstern und Türen der Nachbarn, werden Primeln und Stiefmütterchen gepflanzt. Da, an der Ecke, hinter dem schönen Zaun, an der Bahnhofstrasse, nur kahle große Stecken, so groß, wie sie. „ Was soll das werden?“

Wenn man so neugierig ist, wie das kleine Mädchen, dann  muss man, rein zufällig, da vorbei und schauen, was da los ist. Wenn das Wetter gnädig war, dann regte sich nach ein paar Tagen etwas, kleine grüne Blättchen. Welch ein Wunder, nach ein paar Wochen tanzten viele, viele kleine Glöckchen an den vormals kahlen Ästen. Ein Wunder!!! Die schönen Blüten waren viel, viel schöner, als die Primeln der anderen Gärten. Die tanzenden Glöckchen gab es nur hier, jedes Jahr wieder, in der Bahnhofstrasse.

Das kleine Mädchen beendete die Schule und zog in die Welt.

In ihren eigenen Blumenkästen pflanzte sie als junge Frau, wenn es möglich war, Fuchsien.

Sie wusste jetzt, welchen Namen die tanzenden Glöckchen hatten. Sie waren nur schwierig zu bekommen. Aber das war kein Hindernis für eine neugierige und beharrliche Frau.

In guten Jahren, wenn das Thermometer nicht unter 0°C in der Garage dauerhaft absank, hatte sie großes Glück und ihre Sammlung der kleinen Glöckchen, wurde nicht so stark dezimiert. Ein ständiges auf und ab, wie im richtigen Leben. Die Liebe blieb, aber die Möglichkeiten…

Gartenbesichtigung in Bornstedt bei Frau Joop, unter Führung von Herrn Dr. Näser, Besichtigung vom „Blütengarten Näser“ in Potsdam-Bornim. Dann der Tipp von Frau Näser, mal nach Basdorf zur Fuchsien-Gärtnerei Schlestein zu fahren.

Das nicht mehr kleine, nun reife Mädchen ließ sich vom besten Ehemann dorthin fahren, weil sie den Weg nicht kannte. Sie wohnten schon lange um die Ecke!

Als wir, der liebe, geduldige Mann und ich, vor der Gärtnerei ankamen, hörte ich nur den Satz: „Mein Gott! Jetzt ist sie nicht mehr zu halten!“

Nun tummeln sich bei mir ca. 100 Fuchsien-Sorten. Mehr Platz habe ich nicht, in meinem ca. 5-9°C kalten Wintergarten.

Die Liebe kann nicht größer sein! Mein größter Stolz sind aber zwei Pflanzen “Rose of Castille“ und „Magellanica“. Sie sind „echte“ Ableger von den „kahlen Ästen“ meiner Kindheit. Vielen Dank Frau Harnisch!

Die Fuchsien meiner Kindheit stehen immer noch da. Sie sind über 100 Jahre alt und im Besitz der Familie Bittner. Sie stehen noch am gleichen Ort, Jahr für Jahr, in Zwönitz im Erzgebirge an der Bahnhofstrasse.

Nun bin  ich ein „altes Mädchen“ und liebe die Fuchsien immer noch sehr. So schließt sich der Kreis.

Ein Beitrag von Birgit Beckmann.